Die Jungen Liberalen Karlsruhe (JuLis) kritisieren die Pläne der Bundesregierung, massenhaft die Mobiltelefone von Asylbewerbern auszuwerten, um deren Identität festzustellen, über die die Tagesschau [1] und andere Medien berichteten. „Die geplante Maßnahme ist ziemlich sicher verfassungswidrig und jedenfalls auch nicht zielführend“, sagt Moritz Klammler, Vorsitzender der JuLis Karlsruhe. Asylbewerber sind zwar keine „Deutschen im Sinne des Grundgesetzes“, jedoch ist das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein Menschenrecht, das Menschen jeder Nationalität zusteht. „Routinemäßig und ohne richterliche Anordnung persönlichste Daten aus Telefonen auszulesen, ist damit nicht vereinbar“, mahnt Moritz Klammler.
Die JuLis stellen nicht infrage, dass nur Menschen in Deutschland Asyl genießen können, die auch tatsächlich einen Rechtsanspruch darauf haben. Auch, dass Bewerber, deren Verhalten gegenüber den Behörden nicht kooperativ ist, dadurch ihre eigenen Chancen mindern, halten wir nicht grundsätzlich für verwerflich. Eine Effizienzsteigerung in den Asylverfahren begrüßen wir ausdrücklich. „Langwierige Verfahren belasten die Bewerber unnötig, kosten knappe Ressourcen der Behörden und verstärken in der Bevölkerung den Eindruck, dass die Regierung nicht Herrin der Lage wäre“, sagt der neue stellvertretende Vorsitzende Felix Feist, „Ein rasches Verfahren ist im Sinne aller ehrlichen Beteiligten.“ Keinesfalls kann es sich der deutsche Staat jedoch erlauben, rechtsstaatliche Prinzipien oder die Menschenrechte der Betroffenen nicht zu wahren.
Dass im Einzelfall bei begründetem Verdacht auf eine Straftat und auf richterliche Anordnung persönliche Gegenstände beschlagnahmt und ausgewertet werden können, ist klar und bedarf keiner gesetzlichen Änderung. Auch dass Asylbewerber von sich aus den Behörden die Erlaubnis erteilen können, ihr Telefon als Beleg dafür zu verwenden, dass die von ihnen vorgetragenen Tatsachen wahr sind, ist geltendes Recht und nicht zu beanstanden. Die aktuell bekannt gewordenen Pläne der Regierung haben damit jedoch nichts zu tun. Den eingangs zitierten Medienberichten zufolge geht das Innenministerium (BMI) davon aus, dass die Maßnahme bei 50 bis 60 Prozent der Asylsuchenden in Betracht gezogen würde – womöglich tausende Fälle pro Tag. „Hier von ‚Einzelfällen‘ zu sprechen, wie es das BMI tut [2], ist absurd. Das sind keine Einzelfälle, das ist Massenüberwachung“, sagt Moritz Klammler. In den „Informationen am Abend“ am 20. Februar im Deutschlandfunk dachten Politiker auch bereits laut darüber nach, die derart gewonnenen Daten dahingehend auszuwerten, die politische Gesinnung des Besitzers des Telefons und mögliche Sympathien für extremistische Gruppen abzuschätzen. „Gewaltbereiter Extremismus ist kein leichtes Problem, aber diese Wünsche zeigen in erster Linie, dass eine verfassungswidrige Maßnahme selten alleine kommt“, sagt Moritz Klammler, „Menschen, denen nichts vorzuwerfen ist, haben ein Recht darauf, nicht wie Kriminelle behandelt zu werden. Persönlichste Daten massenhaft zur reinen Verdachtsgewinnung zu analysieren, ist grundrechtswidrig und widerspricht unserem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit.“
Smartphones speichern heutzutage nicht nur Kontaktdaten, sondern auch die Transskripte von Chats, E-Mails, persönliche Fotos und Videos sowie nicht zuletzt die Login-Daten zur Online-Identität des Besitzers. Die verwendeten Speichermedien erlauben es, auch Daten auszulesen, die der Benutzer vermeintlich längst gelöscht hat. Die gewonnenen Daten können Aufschluss über intimste Details des Privatlebens geben. Moritz Klammler gibt zu bedenken: „Wie hier der von Verfassungs wegen unbedingt vorgeschriebene Schutz des Kernbereichs persönlicher Lebensgestaltung gewahrt werden soll, ist völlig unklar. Im Gefahrenabwehrrecht haben wir hier aufwändige Regelungen zur richterlichen Begleitung und Filterung. Hier soll nun scheinbar alles derselben Behörde übertragen werden.“
Aber auch die Zweckmäßigkeit der Maßnahme muss bezweifelt werden. Abgesehen davon, dass die Hoffnung auf eine „zweifelsfreie Klärung der Identität“, wie Bundesinnenminister De Maizière sie sich verspricht [3], reichlich naiv ist, ist die Maßnahme relativ einfach zu umgehen. Der neue stellvertretende Vorsitzende Ludwig Popp gibt zu bedenken: „Wer wirklich betrügen will, und seinen Pass wegwirft, kann sich auch problemlos seines Mobiltelefons entledigen. Es besteht leider wieder einmal Grund zur Annahme, dass die Überwachung in erster Linie Unbescholtene treffen wird.“ Moritz Klammler gibt noch einen anderen Punkt zu bedenken: „Viele Smartphones verwenden heutzutage immerhin ein Niveau an Verschlüsselung, das zumindest nicht routinemäßig von deutschen Behörden umgangen werden kann. Diese Technologie wurde nicht zuletzt entwickelt, um Menschen vor den autoritären Regimen zu schützen, vor denen viele Asylbewerber geflohen sind. Nach dem elementaren Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare geht man bisher davon aus, dass niemand unter Androhung eines Nachteils dazu gezwungen werden kann, Passwörter herauszugeben, mit denen ihn belastende Daten entschlüsselt werden sollen. Ich habe die Sorge, dass die Tatsache, dass Asylbewerber keine interessante Wählerschicht sind, und aktuell ohnehin nicht gerade in der Gunst der breiten Bevölkerung stehen, dazu führen könnte, dass durch eine kreative Auslegung dieses etablierten Grundsatzes hier Präzedenzfälle geschaffen werden, die gefährliche Auswirkungen weit über das Asylrecht hinaus haben könnten.“
Fußnoten:
- Lena Kampf, „Handys von Flüchtlingen im Visier“. Tagesschau vom 20. Februar 2017 um 16:00. https://www.tagesschau.de/inland/bamf-handys-fluechtlinge-101.html
- Dagmar Pepping, „Handy-Auslesen von Asylbewerbern: Nur in Einzelfällen, beteuert das BMI“. NDR, ARD Berlin, 20. Februar 2017 14:43. https://www.tagesschau.de/multimedia/politikimradio/audio-39755.html (Audio)
- „Handyprüfung soll Identität von Asylbewerbern zweifelsfrei klären“. Deutschlandfunk vom 20. Februar 2017. http://www.deutschlandfunk.de/de-maiziere-handypruefung-soll-identitaet-von-asylbewerbern.1947.de.html?drn:news_id=712817